Asel Chinalieva

Wundern übers Wandern

Die kirgisische Informatikerin Asel Chinalieva hat in Plauen ihr neues Zuhause gefunden

Asel Chinalieva, Foto: Olaf Thiel

Asel Chinalieva beherrscht, wenn man so will, mindestens sieben Sprachen: Kirgisisch, die Sprache der Familie. Russisch, die Kultursprache ihrer Kindheit und Jugend. Englisch, um das man heutzutage kaum noch herumkommt. Vogtländisch, die erste wirkliche Fremdsprache. Später auch Deutsch. Und Java sowie PHP, zwei Programmiersprachen. Was eine junge Mutter eben so braucht. 

Bei den IT-Experten der Plauener Firma pitcom geht es international wie familiär zu. Da passt eine Informatikerin aus Kirgisistan perfekt ins Bild – erst recht, weil es sich einfach so ergeben hatte. Es ist die Geschichte eines jener neugierigen jungen Menschen, denen die Welt offenzustehen scheint. Und die dort oftmals ganz überraschend ihren eigentlichen Platz finden. 

1985 ist das noch nicht abzusehen. Bischkek, die an der Seidenstraße gelegene Hauptstadt Kirgisistans, heißt in jenen Tagen noch Frunse – benannt nach ihrem berühmten Sohn, einem sowjetischen Heerführer während des russischen Bürgerkriegs. Und dort erblickt das Mädchen Asel das Licht der Welt, welches fortan zumeist im Dorf der Großeltern auf sie scheint. „Schön war’s“, fasst sie es rückblickend mit leuchtenden Augen zusammen. Dank Oma, einer einstigen Grundschullehrerin, lernt Asel das Schreiben und Rechnen noch bevor sie erstmals ihren Ranzen schnürt. Und sehr schnell wird klar: Das Mädchen kann ganz gut mit Zahlen. „Mathe war schon immer mein Ding“, bekräftigt sie – und es ist gut vorstellbar, mit welcher Vorfreude und Aufregung sie in der 8. Klasse einem ganz neuen Unterrichtsfach begegnet sein muss: der Informatik. Die ersten Computer, russische Korvet, konnten zwar lediglich eine Farbe darstellen und kamen noch mit einer sehr überschaubaren Pixel-Anzahl aus, doch für die junge Asel war das alles bereits „sehr interessant“. Zwei Jahre später hatten sie dann schon Windows-Rechner mit Office-Software in den Klassenzimmern stehen. 

Vollends auf Kurs brachte sie allerdings erst ein Freund der Familie, Dekan an der kirgisischen Universität für Architektur und Bauwesen. „Mein Plan war, Englisch zu studieren. Ich wollte schon immer ins Ausland, dort auch studieren und eben was von der Welt sehen.“ Doch der Dekan nahm Asel beiseite und riet: „Sprachen kannst du dir selbst beibringen. Die Informatik ist ein sich rasant entwickelnder Bereich mit guten Chancen für die Zukunft!“ Der Eignungstest stellte für die talentierte junge Frau dann kein Problem mehr dar. Und im dritten Studienjahr kam die Welt schließlich ganz von selbst zu ihr, in Gestalt des Zwickauer Professors Georg Beier, der in Bischkek Programmierkurse gab für Studenten, die Englisch beherrschen. Am Ende stand das Prüfungsprojekt, ein Spiel auf Java zu programmieren, und dafür winkten vier Stipendien für ein Semester an der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Asel hatte ihr Ziel erreicht – und warf sich in einen dreimonatigen Deutsch-Crashkurs. 

Ein Projektmitarbeiter vermittelte die begabte Kirgisin zu pitcom in Plauen: vor dem Semester stand noch ein Praktikum über die Sommermonate. „Ich hatte da viel mit Übersetzung zu tun. Und das Team durfte kein Englisch mit mir sprechen!“ So lernte Asel Vogtländisch. Und verbesserte nebenher ihr Deutsch. Denn schon während des Semesters kam der Vorschlag hierzubleiben. „Ich bin dann allerdings doch wieder zurück nach Kirgisistan, um meinen Abschluss zu machen, weil ich dort nur noch ein Semester nachzuholen hatte.“ Informatik-Diplom, Note 1. Und im Briefkasten lag Post: Stipendium für drei Semester Master-Studium Informatik an der WHZ. Für Asel Chinalieva zeichnete sich da schon ab, dass ihre neue Heimat in Südwestsachsen liegen würde. Bei pitcom wartete man bereits auf sie. Sowohl beruflich – das Projekt „Veranstaltungsdatenbank“ war zugleich Thema ihrer Master-Arbeit – als auch privat: Asel lebt heute mit einem der einst dort beschäftigten Entwickler zusammen im Plauener Stadtteil Preißelpöhl und erfreut sich am Glück ihrer jungen Familie, der vor knapp zwei Jahren Töchterchen Dana geboren wurde. 

„Die Entscheidung war für mich nicht schwer. Ich dachte damals schon, dass sich mir hier eine sichere Arbeitsstelle mit guten Entwicklungschancen bot, die vor allem auch für Kinder gelten. Und ich bin in einem Unternehmen mit sehr familiären Zügen gelandet, was die Arbeit überaus angenehm macht und mir auch geholfen hat, schnell neue soziale Kontakte zu knüpfen. Meine Eltern leben ja mittlerweile tief in Sibirien, da sieht man sich vielleicht alle zwei Jahre mal – aber es gibt zum Glück auch Skype. Nur meine beiden jüngeren Brüder vermisse ich manchmal. Mein Zuhause ist jedoch eindeutig hier. Ich liebe die vogtländische Natur, ganz besonders auch dieses Wandern an der Elster Richtung Pöhl – so etwas kannte ich vorher gar nicht. Ich wunderte mich anfangs nur immer, wie viel diese älteren und oft in Weiß gekleideten Menschen miteinander zu tun hätten. Wandern als Freizeitbeschäftigung ist in Kirgisistan eher unbekannt. Aber gutes Essen kocht man hier wie dort.“