Holger Stichel

Formen-Leidenschaft im Namen der Schlange

Holger Stichel verbreitet die Botschaft vom Vogtland in aller Welt

Wie stellt man sich den Chef eines Weltmarktführers vor, zumeist doch in Anzug, Haifischkragen-Hemd und mit modisch aktueller Krawatte. Eine Art Gegenentwurf zu diesem Klischee ist Holger Stichel. In Jeans und Poloshirt – so kennen die 355 Mitarbeiter der Kobra Formen GmbH den gebürtigen Karl-Marx-Städter, der seit 2001 im idyllischen Pechtelsgrün lebt und wenig später vom damaligen Eigner Rudolf Braungardt vom Technischen Leiter zum geschäftsführenden Gesellschafter des Unternehmens ernannt wurde. 

Der 52-Jährige ist das, was man gern mit „angekommen“ bezeichnet. Sein Lebensmittelpunkt, seine berufliche wie auch private Heimat, ist das Vogtland. „Ich genieße das, in ländlich-bergigem Umfeld mit freundlichen Nachbarn zu leben. Vor zwei Jahren, zu meinem 50. Geburtstag, haben mich die Mitbewohner in unserem Dorf zum echten Pechtelsgrüner ernannt – im Vogtland ist so etwas die vermutlich höchste Auszeichnung, die ein Zugereister erhalten kann“, lacht Stichel, der seinerseits die Vogtländer Klasse findet. „Die Leute hier sind nicht so offen, wie andere Menschenschläge, aber sie sind arbeitsam, fleißig, fachlich oft super. Und wenn er einmal aufgetaut ist, dann zeigt sich der Vogtländer doch offen und herzlich“, bricht er eine Lanze. Und das, obwohl er die Welt kennt. Denn die Kobra Formen GmbH, die Braungardt einst nach der Wende in Lengenfeld ansiedelte, hat in aller Welt Niederlassungen, die vor allem den Vertrieb der im Vogtland gefertigten Formen realisieren.

Im Polo und Jeans kennen ihn seine Mitarbeiter und so authentisch ist er auch bei Veranstaltungen zu erleben, wie hier bei einem Techniksymposium.

Wer schon einmal über einen Supermarkt-Parkplatz gelaufen ist, hat die Produkte sicher gesehen, die mit den Spezialwerkzeugen Made in Vogtland hergestellt werden. Fast alle Betonsteine der etwa 1.000 Betonwarenhersteller mit ihren rund 6.000 Produktionsstandorten weltweit) entstehen unter Nutzung der Lengefelder Steinformen. „Heutzutage werden die großen Mengen an Betonsteine ja nicht gegossen, sondern in halbfestem Zustand durch Rütteln, Stampfen und sofortiges Entschalen massenhaft hergestellt. Dabei entstehen hohe Drücke und viele Produktionstakte. Die Werkzeuge dafür müssen vor allem extrem haltbar sein. Genau solche Formen werden bei uns hergestellt – vom gemeinsamen Entwurf eines Steindesigns mit dem Kunden über 3D-Konstruktion bis hin zum Härteprozess“, erzählt Stichel und schon bei seinen Erzählungen wird die Leidenschaft für das Produkt deutlich. Diese Leidenschaft ist es auch, die den gelernten Baufacharbeiter und studierten Maschinenbau-Ingenieur mit seinem Beruf verbindet. Viele der Lengenfelder Betonstein-Formen werden innovativ geschraubt, statt geschweißt. „Das macht uns flexibler als die meisten unserer Wettbewerber. In unserer eigenen Einsatzhärterei erreichen wir technische Härtegrade, bei denen anderen Metallwerkern die Augen tränen“, lächelt Stichel. Der Wahlvogtländer und Botschafter der Region ging gleich nach der Wende in die Branche, baute in Ostdeutschland Betonwerke auf und lernte die engagierten Formenbauer um den damaligen Firmengründer Rudolf Braungardt kennen. Nach einem Abstecher in den Nordwesten der Republik kam er zu Kobra nach Lengenfeld. Seither hält er die Firma mit auf Kurs, passt sie den aktuellen Anforderungen an. „Gerade die neue Möglichkeit, bestimmte dreidimensionale Oberflächendesigns mit dem Kunden zu entwickeln, die diese dann in den Betonstein einpressen, hat sich als gute Entscheidung erwiesen. Die Nachfrage danach, vor allem aus dem Mittelstand, ist groß und wir beschäftigen jetzt schon fünf Steindesigner. Zudem haben wir die Produktionsschritte, vom Liefertermin rückwärts, völlig neu getaktet, wir produzieren quasi parallel, wo früher in Einzelfertigung jeder Schritt nacheinander ablief“, plaudert Stichel aus dem Nähkästchen. Man könne so die Lieferzusagen an die Kunden fast zu hundert Prozent halten.

Und wie sieht es aus in Sachen Fachkräftemangel? Man wolle weiter wachsen und dafür brauche es engagierte, kompetente Leute, die man seit zwanzig Jahren regelmäßig selbst ausbildet oder gemeinsam mit den Berufsakademien Glauchau und Plauen entwickelt. „Durch unsere eigene Lehrwerkstatt sind bestimmt 120 heutige Mitarbeiter gegangen“, ist Stichel stolz, dass seine Belegschaft fast ausschließlich aus jungen Vogtländern besteht, die zudem anständig bezahlt werden. 

Mit Enkelin Merle griff "der Chef" auch beim firmeninternen Weihnachtsbacken zu Formen - diesmal für Plätzchen statt für Betonsteine.
Mit AMG-umgebauten Mercedes-Fahrzeugen fährt er leidenschaftlich gern Autorennen auf Rennstrecken, wie hier auf dem Sachsenring.

Sicher ist dieses Gesamtpaket auch der Grund, warum er sich in der Region wohlfühlt. In seinem Heimatort ist er Vereinschef des Dorf-, Jugend & Sportverein Pechtelsgrün und widmet sich diesem in seiner knapp bemessenen Freizeit. Aufgrund seiner Technik-Affinität nennt er als Hobby Autorennen. "Das klingt immer ein bisschen abgehoben, aber es ist einfach toll, mit so einem sündhaft teuren AMG-Geschoss über den Sachsenring zu brettern", schwingt pure Emotionalität mit, wenn der verheiratete, zweifache Familienvater - einmal ist er sogar schon Opa - über seine sehr spezielle Leidenschaft spricht.

Zur Person

Vita Holger Stichel

  • geboren 1964 in Karl-Marx-Stadt
  • verheiratet, zwei Kinder
  • Berufsausbildung mit Abitur
  • Studium Maschinenbau in Karl-Marx-Stadt
  • nach der Wende Aufbau von Betonwerken in Ostdeutschland 
  • (ABS Cottbus, Skipiol)
  • Geschäftsführer BEQU–System GmbH in Paderborn
  • seit 2001 Technischer Leiter bei Kobra Formen GmbH
  • Geschäftsführender Gesellschafter Kobra Formen GmbH