Ralf Edler

Der Nachtwächter von Schöneck: Ein Spaziergang in die Vergangenheit

Wer im Finsteren auf den Nachtwächter von Schöneck trifft, könnte sich im ersten Moment etwas gruseln: In seinem schwarzen Umhang, mit Hut und seiner Hellebarde als Waffenattrappe ist er eine eindrucksvolle Erscheinung.

Ob als Nachtwächter, Geschichtenleser oder Erforscher der Schönecker Unterwelt: Ralf Edler macht sich seit Jahren einen Namen - weit über die Stadtgrenzen hinaus.

Früher diente ein Nachtwächter zum Schutze der Stadt – heute will Ralf Edler diesen Berufsstand lebendig erhalten. Mehrmals im Monat schnürt er seine Schuhe für Führungen durch Schöneck – und die sind immer wieder ein Erlebnis. „Touristen und Einheimische nutzen sie gleichermaßen, viele kommen mehr als einmal“, meint der 57-Jährige. Rund 30 Interessierte finden sich jeweils zusammen – dann läuft er mit ihnen durch die hereingebrochene Nacht, führt sie zu sagenumwobenen Plätzen, weiß unzählige Geschichten aus der Vergangenheit und singt das Nachtwächterlied, das jede Stunde eine andere Strophe besitzt. 

„Hört ihr Leut' und lasst euch sagen, die Uhr hat acht geschlagen! Gebet acht auf Feuer und Licht, dass der Stadt kein Leids geschieht.“ 

Der Nachtwächter von Schöneck zu sein – das ist für Ralf Edler mehr als ein Hobby. Seit 2011 ist er in der Deutschen Gilde der Nachtwächter, Türmer und Figuren für den Bereich Ost zuständig. Deutschlandweit hat die Gilde fast 200 Mitglieder. Edler:

„Für den Osten bin ich der Regionalsprecher – und unheimlich stolz, dass ich dem Vogtland drei Großereignisse in den nächsten Jahren verschaffen konnte.“

2018 zum großen Stadtjubiläum in Zwickau soll das jährliche Treffen aller Nachtwächter dort stattfinden. 2020 ist dann das Regionaltreffen der Gilde Ost in Schöneck geplant – zur 650-Jahrfeier der Stadt. Edler:

„Und 2022 habe ich die Zusage der Gilde für unser Jahrestreffen in Plauen. Da die Stadt in dem Jahr ihre erste urkundliche Erwähnung von 1122 feiert, passt das doch hervorragend, wenn allein 80 Nachtwächter, dazu noch Türmer und andere Figuren kommen.“ 

„Viele fragen mich, warum ich mir als Nachtwächter soviel Mühe mache und auch bei deutschlandweiten Treffen präsent bin. Aber dadurch habe ich das Vogtland bekannt gemacht, wichtige Veranstaltungen hierher geholt und die Region unterstützt“, sagt der Schönecker aus Überzeugung, der ursprünglich aus Sachsen-Anhalt stammt. 

Vor sieben Jahren hat er mit dem Nachtwächtern angefangen. 2012 bekam Edler den Titel „Ehrenkünstler Schöneck“, zwei Jahre später überreichte ihm Bürgermeisterin Isa Suplie eine Ehrenschleife. Die sagt über Ralf Edler: „Er hat Schöneck touristisch über das Vogtland hinaus bekannt gemacht. Und er belebt unseren Ort nicht nur mit seinen Nachtwächterrundgängen.“ Was sie damit meint: Ständig ist er auf Spurensuche, um die Historie seiner Stadt zu ergründen. Und die bringt er dann zu den Menschen und bewahrt sie damit vor dem Vergessen. Neben seinen bisherigen Führungen plant er weitere, die er dann als Türmer verkleidet anbieten will. Dazu hat er die mittelalterlichen Bierkeller im Ortszentrum neu erschlossen und richtet gerade eine Ausstellung darin ein. Edler schreibt Kirmes-Theaterstücke und lässt sich dabei von alten Ortschroniken inspirieren. Manchmal trägt er historische Balladen von Schöneck neu vor. Als moderner Nachtwächter wacht er nicht mehr über Feuer und Diebe – sondern über die unzähligen Geschichten, die seinen Ort geprägt haben. Und die Vergangenheit ist bei ihm in guten Händen.

Der Alte Söll von Schöneck - früher Ort der Burg - soll noch in diesem Jahr Teil einer neuen Führung von Ralf Edler werden.
Auch im Schönecker Rathaus ist man stolz auf seinen Nachtwächter.